Notes from the trail #2: Rökt Ren

(GERMAN)

Um die einsamen Fjälllandschaften Skandinaviens zu erreichen, braucht es auf klimafreundlichem Weg ein wenig Geduld. Für den ersten Teilabschnitt begibt man sich in den Nachtzug nach Kopenhagen, und wer in Sommermonaten reist, sollte früh genug buchen, sonst gibt es nur noch festtagsbeleuchtete, aufrechte Plätze, in denen Sekunden zu Stunden werden.

Gelobt sei deswegen der Schlafwagen, unser gerade noch früh genug gebuchter Kosmos von Stockholm bis Abisko. Drei mal zwei Feldbetten in einer Art internationaler Legebatterie, die wir wir uns mit einem Vater-Sohn-Gespann aus Kopenhagen und einem kommunikativen, polnischen Dark-Metal-Pärchen teilen. Als ihres Zeichen alte Hasen in und auf dem Gebiet, das wir gerade ansteuern, stimmen sie sich frühzeitig auf die Gegebenheiten ein, die man dort vorfinden wird, und schalten ihre Nahrung auf schwedischen Monokanal. Tubenkäse, die kompakte Konkurrenz zum Kiri, wird dabei mit schwungvollen Bewegungen auf staubtrockenes Polarbrot geschmiert und gut verteilt. Das Gericht überzeugt, sofort servierfertig, handlich und preiswert. Und vermutlich auch dann noch lecker, wenn wir alle mal nicht mehr sind.

Als wir später selbst zur Tube greifen, folgen wir mutig der Hüttenwartempfehlung und entscheiden uns für Rökt Ren, also Rentier. Schmeckt genauso wild, wie man sich das vorstellt, und eignet sich hervorragend zum Garnieren mit Krönchen. Das Polarbrot bleibt allerdings unerforscht, denn für den Pumpernickel aus Gütersloh, trotz allem Verständnis für Exotik, gab’s eine klare Kaufentscheidung.

Am Morgen des zweiten Fahrtags wähnt man sich nach dem Erwachen schon über dem Polarkreis, doch weit gefehlt: Der Zug hat sich in der Nacht gar nicht bewegt. Wir sind etliche Stunden verspätet. Die Ursache bleibt ungeklärt, aber zum Trost gibt es umsonst Kaffee und Energieriegel, genau das Richtige, um noch mal einen halben Tag stillzusitzen.

Was soll’s, so bleibt mehr Zeit, den Blick im Speisewagen schweifen zu lassen. Es ist ein unwiderlegbarer Fakt, dass man zumindest in puncto Urlaubsgestaltung zu einer recht homogenen Masse gehört. Verdächtig tief sitzende Hosentaschen wie auch die Abstinenz von üblichem Straßenschuhwerk lassen vermuten, dass man auf den Wanderwegen in Lapplands Abgeschiedenheit doch nicht ganz alleine sein wird.

Die Anreise hat irgendwann doch ein Ende, und nach einem Umstieg in Boden und noch ein bisschen Wald, Wald, Wald sind wir nach 22 Stunden da. Einige Gesichter sehen wir tatsächlich später wieder, und die kostenlosen Energieriegel sind alle in den Taschen verschwunden. Die Wildnis kann kommen.